Michaelisches Yoga - eine Rezension von Torbjørn Eftestøl

Michaelisches Yoga ist ein einzigartiges Buch, das Rudolf Steiners Methode der Geistesforschung auf eine Art und Weise neu erschafft, die sowohl aus der individuellen Erfahrung als auch aus den Werken Steiners stammt. In einigen Vorträgen in den Jahren 1919 und 1920 stellte Steiner vor, was er einen yogischen Lichtseelenprozess oder ein neues Michaelisches Yoga nannte (Die Sendung Michaels, GA 194 und Grenzen der Naturerkenntnis, GA 322). Ben-Aharon entwickelt diese Hinweise Steiners zu einer völlig transparenten methodischen Präsentation, die auf seiner eigenen Erfahrung, Forschung und Praxis der anthroposophischen Geisteswissenschaft während der letzten 40 Jahre beruht.

Das Buch reicht vom Beginn einer kognitiven Yoga-Praxis bis hin zu einer Darstellung, wie auf dieser Grundlage ein neuer Ätherleib und eine neue Individualität geschaffen werden. Mit anderen Worten: Die Reise der Transformation, die es beschreibt, ist immens. Gleichzeitig ist es aber auch praktisch und hilfreich für die allerersten elementaren Schritte dieser neuen Yoga-Praxis. Auf jeder Seite schimmert das wahre Wesen der geistigen Forschung und Entwicklung durch: Kognitive Einsicht und Weisheit werden immer von einem moralischen Impuls durchdrungen, der den Leser für die wahre Natur der geisteswissenschaftlichen Entwicklung erweckt. Es ist immer die ganze Seele, die sich entwickelt, und dieser Text spiegelt dies wieder. Die Entwicklung höherer Erkenntniskräfte wird hier in ihrer Beziehung zum moralischen Element unmittelbar und intim dargestellt.

Der Autor Dr. Yeshayahu (Jesaiah) Ben-Aharon, hat mehrere Bücher sowohl über die Methode der Geisteswissenschaft als auch über seine eigenen Forschungen veröffentlicht, wie z.B.
Die neue Erfahrung des Übersinnlichen, Das spirituelle Ereignis des 20. Jahrhunderts und zuletzt Menschendämmerung und Auferstehung der Menschheit. Das zentrale Thema, das sich durch sein gesamtes Werk zieht, ist die Wiederkunft Christi und die Rolle, die die Anthroposophie bei der Aufnahme und Entwicklung dieses Potenzials für die Menschheit spielt.

Der in
Michaelisches Yoga beschriebene Prozess beginnt mit der Aufgabe, Wahrnehmung und Denken zu läutern. In der Erkenntnistheorie Rudolf Steiners wird gezeigt, wie im normalen Bewusstsein Denken und Wahrnehmen immer miteinander verwoben sind und wie eine Erkenntnis des Erkenntnisprozesses es erfordert, dass wir diese Verwobenheit verstehen und durch die Entwicklung des reinen Denkens auflösen. Auf diese Weise ist in der frühen Steinerschen Erkenntnistheorie eine Praxis implizit enthalten. Michaelisches Yoga setzt hier ein, indem wir diese Zusammensetzung der gewöhnlichen Erkenntnis verstehen und lernen, diese Entwicklung des reinen Denkens und der reinen Wahrnehmung zu praktizieren. Das Buch erklärt Schritt für Schritt auf anschauliche Weise, wie Denken und Sinneswahrnehmung gereinigt und getrennt werden, und zeigt, wie diese Reinigung zu einer übersinnlichen Erfahrung der Kräfte hinter dem normalen Denken und der normalen Sinneswahrnehmung führt. Dieser Prozess gipfelt in der Bildung eines neuen unabhängigen Ätherleibes, der in der ätherischen Welt leben und erkennen kann.

Ausgehend von diesem Prinzip der Reinigung und Intensivierung des Wahrnehmungs- und Denkpols der Erfahrung lädt Ben-Aharon dazu ein, Schritt für Schritt der Ätherisation der Sinne zu folgen und auf diese Weise Kräfte spiritueller Erkenntnis zu entwickeln, indem immer tiefere Aspekte des Körpers vergeistigt werden.

Beginnend mit den am leichtesten zugänglichen Elementen wird uns gezeigt, wie das Sehen und die Farbe Rot ätherisiert werden können. Ben-Aharon führt vor, wie wir über die Goethesche Erfahrung der Farbe als Qualität zu einer Erfahrung der Farbe als reiner Intensität gelangen können, die dann zu einer vollständigen Offenbarung als spiritueller Erleuchtung wird.

In einem Kapitel, das sich auf das Denken konzentriert, gibt Ben-Aharon ein bemerkenswertes Bild sowohl von der Natur und dem Ursprung des Denkens als auch von den Erfahrungen, die man macht, wenn man den Todeskräften begegnet, die das gewöhnliche Denkbewusstsein konstituieren. Dies ist ein zentraler und wesentlicher Aspekt, der in anthroposophischen Abhandlungen über das Denken und seine Vergeistigung oft übersehen wird.

Von dieser Reinigung und Polarisierung der Sinneswahrnehmung und des Denkens ausgehend, behandelt Ben-Aharon dann den Geruchssinn, der, wie er zeigt, im normalen Bewusstsein mit dem Geschmacks- und Tastsinn zu einer Schwelle oder undurchdringlichen Zone verschmilzt. Um diese Blockade zu durchdringen, müssen die unteren Sinne ätherisiert werden, und Ben-Aharon gibt einen Einblick in die praktische Forschung, der meines Wissens über das hinausgeht, was man heute in jedem anderen Buch über spirituelle Erkenntnis finden kann.

Im Ätherisationsprozess der Gestaltungskräfte der Wahrnehmung und des Denkens findet eine allmähliche Durchdringung und Freisetzung der im Körper wirkenden Kräfte statt. Als Antwort auf diese Vergeistigung befruchten freie kosmische Kräfte die freigesetzten individuellen Kräfte, und dieser ätherische Prozess gebiert einen neuen Ätherleib. Die Schaffung eines neuen Ätherleibes führt zur geistigen Geburt einer neuen Individualität und ihrer Fähigkeit, bewusst in der ätherischen Welt zu leben. Dies ist das Thema der vier letzten Kapitel und führt zu einem »Wesenstausch« mit der kosmischen Quelle des Werdens, einer Begegnung mit dem ätherischen Christus.

Die Form des Buches ist eine Kombination aus einer Erklärung des Spiritualisierungsprozesses und einem meditativen Text an sich. Es gibt eine Fülle äußerst interessanter und herausfordernder Beschreibungen von spirituellen Verwandlungen; zum Beispiel von der Aktivierung des dritten Auges, der zweiblättrigen Lotusblume, und ihrer Beziehung zur Ätherisation des ganzen Körpers oder davon, wie man lernt, in der geistigen Welt zu denken, zu sprechen und zu gehen. Wenn man heute ein Buch lesen will, das den geisteswissenschaftlichen Prozess in seiner Gesamtheit darstellt, so glaube ich, dass es nicht möglich ist, ein besseres zu finden als Michaelisches Yoga.

Torbjørn Eftestøl (Promotionsstipendiat an der Norwegischen Musikakademie und Mitglied der
Schule für Geisteswissenschaft und des Global Event College)

Michaelisches Yoga
eine Rezension von Torbjørn Eftestøl

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